What?

Ohne viel Medienecho ist schon 1. Juli 2023 trat eine Änderung der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz (ArGV 2) in Kraft getreten, die in Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) sowie der Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung die Höchstarbeitszeitvorschriften lockern. In den beiden Branchen wurden verschiedene Lösungen getroffen.

  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der IKT, die projektbezogene oder termingebundene Aufgaben ausführen, dürfen nun unter bestimmten Umständen länger arbeiten. Konkret kann die Arbeitszeit auf bis zu 17 Stunden pro Tag ausgedehnt werden, wenn die Tätigkeit im Rahmen internationaler Zusammenarbeit stattfindet, beispielsweise aufgrund unterschiedlicher Zeitzonen oder bei unvorhersehbar dringenden Aufgaben. Bisher war diese tägliche Arbeitszeit auf 14 Stunden begrenzt. Zudem kann die tägliche Ruhezeit in solchen Fällen mehrmals pro Woche von 11 auf 9 Stunden reduziert oder unterbrochen werden.

    Praxisbeispiel: Ein IT-Dienstleistungsunternehmen arbeitet eng mit einem Team in den USA zusammen. Aufgrund der Zeitverschiebung beginnen die Mitarbeitenden in der Schweiz ihre Arbeit erst am Nachmittag, um Überschneidungen mit dem US-Team zu maximieren. Dank der neuen Regelung können sie nun die Arbeitszeiten flexibler gestalten und bei Projektengpässen länger arbeiten, ohne gegen das Arbeitsgesetz zu verstossen.
  • Fachspezialisten und Führungskräfte in Wirtschaftsprüfung, Treuhand und Steuerberatung könen ihre Arbeitsweise auch anders regeln. Fachspezialisten und Vorgesetzte (das sind solche, die mind. CHF 120’000.- pro Jahr verdienen oder einen höheren Bildungsabschluss haben) können neu nach einem Jahresarbeitszeitmodell arbeiten, das ihnen erlaubt, saisonale Schwankungen besser zu bewältigen. Dabei wird schriftlich ein Jahresstundensoll festgelegt. Dies bedeutet, dass die allgemeine wöchentliche Höchstarbeitszeit und die Überzeitarbeit teilweise ausser Kraft gesetzt werden. So können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Branchen nun bis zu 63 Stunden pro Woche arbeiten und an bis zu neun Sonntagen im Jahr je fünf Stunden tätig sein, ohne dass eine behördliche Bewilligung erforderlich ist.

    Praxisbeispiel: In einer Treuhandfirma, die auf die Jahresabschlussprüfung von Unternehmen spezialisiert ist, steigt die Arbeitsbelastung zum Jahresende stark an. Fachkräfte und Führungspersonen arbeiten in diesen Monaten oft über die übliche 42-Stunden-Woche hinaus. Mit der neuen Regelung kann die Firma das Pensum flexibel auf das gesamte Jahr verteilen, ohne ständig die Höchstarbeitszeiten im Blick behalten zu müssen.

So What?

Schon bisher war es so, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Branchen oft mehr arbeiteten als im Arbeitsgesetz erlaubt und dabei nicht einmal ihre Arbeitszeit erfassten. Dies gehörte in den betreffenden Betrieben zum guten Ton und war eine notwendige Voraussetzung, um Boni und Beförderungen zu erhalten. Diese Praxis ist nicht legal und kann zu nachträglichen Forderungen von Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmern führen. Verstösse gegen das Arbeitsrecht (z.B. Nacht- und Sonntagsarbeit) können auch scharfe behördliche Sanktionen, insb. auch strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Personen, nach sich ziehen.

Do What?

Die Teilflexibilisierung der Arbeitszeitvorschriften ist für die Arbeitgeberinnen in den betreffenden Branchen die Chance, die Arbeitszeiten der für die Erleichterungen qualifizierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Einklang mit dem Arbeitsgesetz zu regeln und so beträchtliche Rechtsrisiken zu eliminieren.

N.B.: Die beschriebenen Lockerungen sind eng: Nach wie vor unzulässig sind in der Privatindustrie alle Modelle, die gänzlich auf eine Erfassung der Arbeitszeit verzichten («Vertrauensarbeitszeit»). Ausgeschlossen sind auch alle anderen Mitarbeiter ausserhalb dieser Branchen (also Management-Beraterinnen, Anwälte, Architektinnen).

Es ist übrigens die Pflicht der Arbeitgeberin dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit stets erfassen!